Kulturschaffender in Chemnitz angegriffen – Täter womöglich aus rechten Kreisen

Das Opfer war Teil eines Netzwerktreffens von Menschen aus Deutschland und Osteuropa. Der junge Mann erlitt Brüche im Hals und Gesichtsbereich. Die Opferberatung spricht von einem „offenbar rechtsmotivierten Angriff“ und wirft Stadt und Polizei vor, sie würden sich zu dem Vorfall ausschweigen.

Robert Kerner* arbeitet seit mehreren Jahren als freiberuflicher Projektmanager im Kulturbereich und ist dafür in vielen Städten unterwegs. In der vergangenen Woche war er zum ersten Mal in Chemnitz zu Besuch. Ein Besuch, der mit einem Aufenthalt im Krankenhaus endete. Diagnose: Kehlkopfbruch und Jochbeinfraktur.Passiert ist nach seinen Angaben Folgendes. Kerner war einer von etwa 35 Kulturschaffenden aus Ostdeutschland, Ost- und Südosteuropa, die zu einem Netzwerktreffen in Chemnitz zusammenkamen. Auf dem Programm stand unter anderem ein Treffen mit dem Chemnitzer Kulturhauptstadt-Team, Ziel war das Sammeln von Ideen für europäische Kooperationsprojekte. Am Freitagabend endete das Treffen mit einer Party im Weltecho.

Auf dem Weg zum Hotel attackiert

Etwa gegen 2 Uhr am Samstagmorgen machten sich Kerner und zwei Begleiter – eine Griechin und ein Slowene – auf den Rückweg zu ihrem Hotel. Dabei wurden sie laut Kerner von einer Gruppe junger Männer verfolgt, die vorher ebenfalls im Weltecho gewesen seien. Einer dieser Männer habe sie später etwa im Bereich der Sparkasse an der Zentralhaltestelle überholt und sich vor ihn gestellt. „Seid ihr Zecken? Sprecht kein Englisch!“, habe er gesagt, erinnert sich Kerner. Der 33-Jährige antwortete nach eigenen Angaben: „Was meinst du mit Zecken?“.

Daraufhin erhielt er einen Schlag gegen den Kehlkopf. Kerner und seine Begleiter rangelten mit dem Angreifer und versuchten wegzulaufen. Als Zeugen in Sichtweite kamen, ließ der Angreifer ab und verschwand mit den anderen aus seiner Gruppe. Die Zeugen alarmierten die Polizei und den Notarzt. Noch im Krankenwagen identifizierte Kerner auf Fotos, die ihm Polizisten zeigten, den Angreifer. Der 33-Jährige kam ins Krankenhaus und auf die Intensivstation, weil die Gefahr bestand, dass der Kehlkopf zuschwillt. Nach zwei Tagen wurde er wieder entlassen. „Ich hatte Glück im Unglück, weil sich nichts verschoben hat und auch die Stimmbänder heil blieben“, sagt er. Voraussichtlich werde alles verheilen.

Die Polizei informierte am Montag über den Angriff. In der täglichen Mitteilung der Ermittler hieß es, dass ein 33-Jähriger unvermittelt angegriffen und er durch Tritte und Schläge verletzt wurde. Außerdem seien die mutmaßlichen Täter gestellt worden. Von einer politischen Motivation war allerdings keine Rede. Das ärgert Kerner: „Da fühle ich mich vor den Kopf gestoßen.“

Polizei holt Staatsschutz dazu

An diesem Freitag teilte ein Sprecher der Polizei auf Nachfrage mit: „Nach Würdigung der Gesamtumstände haben wir den Staatsschutz hinzugezogen.“ Der Staatsschutz ermittelt in Fällen politisch motivierter Kriminalität. Ein rechtsextremer Hintergrund der Tat sei möglich, aber noch nicht bewiesen, so der Sprecher, der darauf verwies, dass die Ermittlungen noch liefen und nicht alle Beteiligten vernommen worden sein. Ermittelt werde derzeit gegen sieben Beschuldigte im Alter von 18 bis 30 Jahren. Alle sind demnach Deutsche, einige auch polizeilich bekannt – ob im Zusammenhang mit politisch motivierter Kriminalität wollte der Sprecher nicht mitteilen.

Opferberatung kritisiert Rathaus und Polizei

Die möglichen Hintergründe der Tat hatte die Opferberatung Sachsen am Freitag öffentlich gemacht. Der Verein spricht von einem „offenbar rechtsmotivierten Angriff“ und kritisiert Polizei und das Rathaus dafür, dass diese „sich ausschwiegen“:

„Chemnitz muss sich gerade mit Blick auf das Kulturhauptstadtjahr 2025 auch daran messen lassen, wie Behörden und Verwaltung auf solche Angriffe reagieren“, sagt André Löscher von der Beratungsstelle Support des Vereins. Er ergänzt: „Eine klare Benennung des naheliegenden Tatmotives, als auch sichtbare Solidarität, sind für die Betroffenen entlastend und zugleich ein starkes Zeichen innerhalb und außerhalb der Stadtgrenze.“

Das Rathaus teilt auf Anfrage mit, der Vorfall sei bekannt: „Unser Mitgefühl gilt zuallererst dem Opfer dieser Straftat. Wir hoffen, dass sich das Opfer vollumfänglich erholt.“ Zum Kontext der Tat könne man sich nicht äußern, weil die Ermittlungen der Polizei noch liefen, so der Sprecher.

*Name von der Redaktion geändert